Hallo Christian Hövelhaus, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview mit uns genommen haben ! Bitte stellen Sie uns zu Beginn sich und Ihr Team bei ES∙FOR∙IN SE kurz vor:
Ich bin Gründer und Vorstand von ES∙FOR∙IN SE. Zuvor habe ich jahrelange und internationale Erfahrung im Strom- und Gasgeschäft als Vorstandsmitglied u.a. bei RWE (innogy gab es damals nicht) und natGAS gesammelt.
Ebenso greift unser Team auf ein unschätzbares Know-How sowohl im Strom- als auch Gashandel zurück – mit über 30 (35) Mitarbeitern haben wir hier umfassende Expertise aufbauen können.
Vielleicht möchten Sie uns Ihr Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen ?
Energy Services for Industry SE (ES∙FOR∙IN) konzentriert sich auf die innovative Flexibilitätsvermarktung von Strom auf Verbraucher- und Erzeugerseite.
Maßgeschneiderte Lösungen ermöglichen es energieintensiven und produzierenden Unternehmen, ihre Stromflexibilität an die Preissignale der Intraday-Märkte an der EPEX Spot SE anzupassen. Preissignale zeigen ein Ungleichgewicht im Stromnetz an und ES∙FOR∙IN-Algorithmen reagieren im Auftrag unserer Kunden darauf. So hilft ES∙FOR∙IN, das Netz zu stabilisieren und trägt aktiv zur Energiewende bei.
Darüber hinaus bieten umfassende vollautomatisierte, digitale und modular integrierbare Energielösungen – ob Bilanzkreis- & Portfoliomanagement, Marktzugang Strom und Gas, Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien, Marktkommunikation sowie Vermarktung von Stromflexibilitäten (z.B. Demand-Response).
Welches Problem wollen Sie mit ES∙FOR∙IN SE lösen ?
Das deutsche Energieversorgungssystem befindet sich aktuell in einem noch nie dagewesenen fundamentalen Transformationsprozess – hin von einer konventionell zu einer mit erneuerbarer Energie getriebenen Stromversorgung.
Aufgrund der Verlagerung zu den erneuerbaren Stromerzeugern, wie z.B. Photovoltaik- oder Windkraftanlagen und dem zukünftigen Wegfall vieler konventioneller Kraftwerke, kommt es in Zukunft zu Zeiträumen, in denen mehr bzw. weniger elektrische Energie, als von Verbrauchern benötigt, eingespeist wird. Im zukünftigen Energieversorgungssystem folgt also nicht mehr wie ursprünglich die Erzeugerseite der Verbraucherseite, sondern wird vom Einspeiseangebot der erneuerbaren Energien bestimmt.
Unflexibles Verhalten hinsichtlich der Erzeugung sowie des Verbrauchs wird zukünftig dazu führen, dass die Energiebezugskosten für Verbraucher steigen bzw. die Erlöse für Erzeuger sinken. Flexibler Stromverbrauch hingegen wird zur Netzstabilisierung immer notwendiger und belohnt. Wir ermöglichen unseren Kunden vollautomatisiert von der untertägigen Preisentwicklung des kontinuierlichen Intraday-Handels zu profitieren. Hierdurch sind nennenswerte Zusatzerlöse von bis zu 85.000€ pro MW/a und Handelsrichtung möglich. Gleichzeitig helfen wir das Netz zu stabilisieren und tragen so aktiv zur Energiewende bei.
Wie ist die Idee zu ES∙FOR∙IN SE entstanden ?
Im Rahmen der Liberalisierung der Strommärkte und dem zunehmenden Ausbau erneuerbarer Energien gewinnt der Spotmarkt an Liquidität und Handelsteilnehmern. Wir haben diese Veränderungen identifiziert – somit haben wir auch die Relevanz von Flexibilitäten für die Stabilisierung des Stromnetzes und möglichen Zusatzerlöse für Unternehmen und Energieerzeuger erkannt.
Wie würden Sie Ihrer Großmutter ES∙FOR∙IN SE erklären ?
Wir ermöglichen unseren Industrie- und Stromerzeugerkunden gewinnbringend flexibel Strom bei niedrigen Preisen zu kaufen und bei hohen Preisen eigenen Strom an den Markt zu verkaufen. Das gleicht schädliche Stromnetzschwankungen aus, die durch den vermehrten Ausbau von Sonnen- und Windenergie verstärkt auftreten können. Der optimale Kauf oder Verkauf als Reaktion auf kurzfristige Strompreisschwankungen passiert vollautomatisch und digital im Millisekundenbereich.
Hat sich Ihr Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?
An unserer Vision hat sich nicht verändert, unser Konzept haben wir allerdings immer weiter geschärft – da kennen wir keinen Stillstand. So entwickeln wir fortlaufend Produkte, um neue Flexibilitätsoptionen zu identifizieren, und verbessern kontinuierlich bestehende Optimierungsansätze für unsere Kunden.
Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell ?
Wir optimieren Algorithmus basiert den flexiblen Stromverbrauch von energieintensiven Industrien und Energieerzeugern auf Grundlage von Marktpreisschwankungen sowohl zum volkswirtschaftlichen Vorteil eines ausgeglichenen Stromnetzes als auch gewinnbringend für die Unternehmen selbst.
Der Börsenstrompreis an der EPEX Spot SE ist als zentrales Steuersignal für die Handelsteilnehmer zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Stromgroßhandelsmarkt und damit auch im Netz zu sehen. Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Netz führt langfristig zu einem geringeren Netzausbaubedarf mit neuen Leitungen oder Trassen durch das Land. Flexibilitätsoptionen werden genutzt, um den elektrischen Energiebedarf der Verbraucher wirtschaftlich zu optimieren. Wenn die Börsenstrompreise niedrig sind, kaufen die Verbraucher mehr Energie ein. Wenn die Preise hoch sind, wird der Verbrauch reduziert. Umgekehrt werden die Stromerzeuger bei hohen Preisen die Produktion erhöhen und in Zeiten niedriger Preise reduzieren. Diese Reaktionen auf Preissignale erfolgen immer innerhalb aller anlagenspezifischen Randbedingungen.
In Zukunft wird der Bedarf an Flexibilitätsoptionen mit der Anzahl der dezentralen Erzeugungsanlagen aufgrund der Einspeisecharakteristik der erneuerbaren Energien und der daraus resultierenden Prognosegenauigkeit (Prognoseungenauigkeit) steigen. Stromerzeuger und -verbraucher werden dazu angehalten, sich auf die Einspeisung von erneuerbaren Energien einzustellen und damit das Aushandeln der Prognosefehler durch Weitergabe von Strompreissignalen zu unterstützen. So senken wir die Energiekosten der Kunden und stabilisieren gleichzeitig das Stromnetz und fördern die Energiewende.
Neben der Fokussierung auf diesen hoch spezialisierten Optimierungsservice bieten wir das Rundumpaket energiewirtschaftlicher stark digitalisiert abgewickelte Dienstleistungen wie Energielieferung, Bilanzkreis- und Portfoliomanagement, direkter Marktzugang Strom und Gas für Industrieunternehmen sowie Services zur Marktkommunikation an.
Wie genau hat sich ES∙FOR∙IN SE seit der Gründung entwickelt ?
ES∙FOR∙IN ist ein stark wachsendes Unternehmen – national und international. Mit über 2 Mio. vollautomatisieren Intraday-Trades im Jahr 2020 an der Strombörse EPEXSpot SE sind wir jetzt bereits führender Anbieter der Flexibilitätsvermarktung für Strom und Pioniere in der Flexibilitätsvermarktung von Gas. Wir haben mehr als 50 individualisierte Handelsalgorithmen und ein beispielloses Know-How im algorithmischen Intraday-Handel von Strom sowie im algorithmischen Intraday-Handel von Gas entwickelt. Darüber hinaus entwickeln wir fortlaufend neue Produkte, um Flexibilitätsoptionen zu identifizieren und zu heben und unseren Kunden zusätzliche Einnahmen zu ermöglichen.
Wie groß ist Ihr Startup inzwischen ?
Mit über 35 Mitarbeitern sind wir bereits in 4 europäischen Ländern aktiv: Deutschland, den Niederlanden, Österreich und UK. Und mit über 2,2 Millionen Intraday-Trades im Jahr 2020 an der EPEX Spot SE sind wir der führende Anbieter von Flexibilitätsvermarktung im Stromsektor.
Blicken Sie bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen ?
Aufgrund unseres fundierten Know-Hows und organischen Wachstums haben wir keine Katastrophen miterleben müssen. Unser wohlüberlegtes Geschäftskonzept und langjährige internationale Erfahrung im Stromhandel haben uns auch in unruhigen Fahrwassern positiv leiten können. Allerdings ist die Komplexität dieses einfach klingenden Konzeptes hoch und erklärungsbedürftig. Als Pioniere in diesem Bereich brauchte es Zeit, um die Idee erfolgreich bei Kunden umzusetzen.
Was haben Sie daraus gelernt ?
Immer mit Geduld am Ball bleiben.
Und wo haben Sie bisher alles richtig gemacht ?
Wir haben an unseren Werten und unsere Vision dem Aufbau von – Europas größter Flexibilitätsvermarktungsplattform für Strom und Gas – festgehalten. Wir zielen auf kein blindes und zielloses Wachstum, sondern vielmehr auf ein starkes Teamwork und gemeinsame Entwicklung mit unseren Partnern sowie Kunden. Dabei setzen wir auf schnelle und unbürokratischen Entscheidungsfindungen.
Wie ist Euer Startup finanziert ?
Wir haben es geschafft unabhängig zu agieren. Wir finanzieren uns selbst und durch die Beteiligung eines partnerschaftlichen Family Offices.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate ?
Wir werden in weitere europäische Märkte expandieren und unser Ziel ist es die führende Plattform für Vermarktung von Energie, insbesondere Stromflexibilitäten in Europa aufzubauen.
Vielen Dank für das Interview.
2 thoughts on “Christian Hövelhaus von ES∙FOR∙IN SE im Interview”